Die Zahl der Kunden, für die beim Motorradkauf nur die Technik zählt, geht seit Jahren zurück. Wer heute viele Fahrzeuge an den Mann und auch immer mehr an die Frau bringen will, der muss mehr bieten als reine Hightech. Unter diesem Trend leiden besonders in Europa die japanischen Hersteller. Ihre Produkte sind stets auf technische Perfektion und Hochleistung getrimmt worden, die Vermittlung von Emotionen durch Tradition und die Werte vergangener Tage wurde sträflich vernachlässigt. Die Psychologie lehrt uns aber, dass der Mensch dazu neigt seine Vergangenheit zu idealisieren und rosarot zu färben. „Früher war alles besser“ oder „Solche Probleme hatten wir damals aber noch nicht“ sind nur zwei Beispiele dafür, wie der Mensch gerne die Vergangenheit verklärt. Je komplizierter die Gegenwart zu sein scheint, desto mehr sucht er nach alten Werten.
Harley Davidson bietet dies seit Anbeginn
Der Motorradhersteller aus Milwaukee setzt seit jeher auf die Vermittlung von Werten, die früher scheinbar mehr bedeutet haben als heute. Dies gelingt den Amerikanern sehr erfolgreich. Denn obwohl ihre Motorräder denen der Konkurrenz in allen technischen Disziplinen völlig unterlegen sind, verkaufen sie sich prächtig. Begriffe wie Tradition oder Freiheit werden emotional aufgeladen und dann auf das Produkt projiziert. Wer in einer stetig alternden Gesellschaft auch morgen noch verkaufen will, der muss darauf reagieren. Genau hier tun sich die meisten anderen Hersteller sehr schwer, sie suchen nun das Glück in den sogenannten „Scrambler“-Modellen. Fast jeder Hersteller hat von diesen nostalgisch angehauchten Maschinen mindestens ein Modell im Portfolio. Dazu gibt es dann die passende Kleidung wie Schuhe und Boots, Holzfällerhemden und weitere Accessoires.
Dies betrifft nicht nur die Hersteller von den großen und schweren Maschinen, auch die Produzenten von Motorrollern kommen um eine Anlehnung an Nostalgie, Ehre, Retro und Vergangenheit kaum herum. Für Hersteller wie Vespa oder Piaggio ist dies einfach, Honda oder Yamaha tun sich hier merklich schwerer.
BMW hat Glück im Unglück
Der bajuwarische Motorradhersteller setzte zwar immer auf modernste Technik, doch hat er dabei stets die Verbindung zu seinen Wurzeln und der Vergangenheit gepflegt. Es gibt ein Museum und regelmäßige Berichterstattung über den Spirit vergangener Tage. Besonders der Motorsport dient hier als Plattform um mit den Erfolgen und den Modellen von damals zu punkten. Marken- bzw. Imagepflege nennt sich dies. Die deutschen Automobilhersteller verstanden sich stets bestens in dieser Disziplin, was sich nun immer mehr auszuzahlen scheint.
Bei BMW kann man die Kundschaft sehr leicht mit Retro-Modellen überzeugen. Das Markenbild war stets breit genug gefächert um hier jetzt wirklich glaubhaft Motorräder präsentieren zu können, die auf dieses gestiegene Bedürfnis eingehen können. Mit der R nineT ist BMW ein wahres Meisterstück gelungen. Es ist mehr als nur ein einziges Motorrad, es ist eine Art Baukasten entstanden. Hier kann sich jetzt jeder sein eigenes Nostalgie-Bike erstellen und nach seinen Bedürfnissen konfigurieren. Die Motorisierung erfolgt durch den BMW-typischen Boxermoter, auch hier können die Maschinen Glaubwürdigkeit vermitteln. Damit ist es BMW gelungen, den Spagat zwischen Nostalgie und Moderne zu meistern.